5 February 2017

Die Retoure

Wenn man es doch schafft, ein Projekt abzuschließen, nach Jahren der selbst gewählten Folter, dramatisch gesprochen, obwohl man es doch als Genuss empfindet, das Arbeiten an etwas, das Können, das Wollen, das Dürfen, sich die Zeit dafür zu stehlen, und damit das Ziel eigentlich schon erreicht sein sollte, dann folgt darauf gelegentlich ein Vertragsabschluss. Auch wenn es sich, wie in meinem Fall, um eine Dissertation handelt, die, in, ja, ich muss es so sagen, streng limitierter Auflage erscheint und die Druckkosten selbst zu tragen sind – zusammengekratzt, immerhin unblutig.

Wenn wir jetzt annehmen, dass jeglicher Vertragsabschluss, nein, bereits das Lesendürfen eines Vertrags, einem Erfolg gleichkommt, da der Graben zwischen dem Ich und Welt etwas enger wird, so bilde ich mir ein, wird dieses Gefühl leider sofort wieder gedämpft. Grund hierfür ist der Absatz "Verramschung, Makulierung". Vom steten Zweifel abgehärtet, daher beruhigt, stelle ich fest, dass ich für mein Druckerzeugnis bei keinem verkauften Exemplar – und bei Rücknahme meinerseits (Ramschpreis, Versandkosten) – nur ein paar Regelböden* freiräumen müsste. Glaube ich. Hoffe ich. Strenge Limitation sei dank.

Kaum auszudenken, ich hätte in den letzten Jahren eine Band gegründet und hätte überzeugt und sehr stark auf physische Tonträger gesetzt. Natürlich keine Kleinstauflage, sondern 500, nein 1000, nein 2000 Stück, plus zusätzlichem Fanpaket (man hat's ja, woher auch immer) für die fiktiven, aber bestimmt kauffreudigen Fans – denn es war alles so gut und so gewollt, auch wenn nicht drängend genug, oder gerade eben zu drängend. Klar.

Wenn sich dann plötzlich ein Vertrieb bei mir melden würde, würde ich wahrscheinlich nicht mehr auf die Stückzahl achten, sondern nur noch auf das im Anschreiben vermerkte Gewicht. Was dann?

Da ist er wieder: Der Graben zwischen dem Ich und der Welt.

Würde ich alles in den feuchten Keller stellen und mich im Vergessen üben, da ich bereits aus Trotz am zweiten Album arbeite (diesmal nur Kassette)? Würde ich alles säuberlich in der Wohnung aufbahren – die Wände entlang. Würde ich alles heimlich in einem Studio verstecken wollen, irgendwo bei den alten Verstärkern und schwarzen Molton darauf legen (die Leichendecke). Würde ich Freunde fragen, ob sie für ihre Retouren schon Lagerraum angemietet haben? Würde ich auf die Deponie fahren? In die Wüste fliegen (Vergleich Atari)? Und was passiert mit dem Merchandise. Warum wollte bloß keiner diese blauen T-Shirts, die im Ankauf so günstig waren? (Weil wahrscheinlich nur die Kids auf dem Cover zu Washing Machine von Sonic Youth blaue T-Shirts tragen.)

Und wie wäre das Gefühl, wenn die Lieferung kommt und sich darin die falsche Platte befände, da der Vertrieb selbst nur den vollgestopfen Lagerraum freischaufeln lässt?

Was, wenn mein/ein Leben davon abhängt, da es doch kein Hobby war?

Wie klingen eigentlich Todesmelodien?

*(Die Regalböden bestehen aus Pressspan. Daher: Das Camp-Konzept. Ästhetik, Popkultur, Queerness ist ab diesem Frühjahr sicherlich irgendwo zu haben.)

No comments:

Post a Comment

Note: only a member of this blog may post a comment.