Andy: So what do you do?
Frances: Eh… It’s kinda hard to explain.
Andy: Because what you do is complicated?
Frances: Eh… Because I don’t really do it.
(aus: Frances Ha, 2012)
Im Dezember 2006 schrieb Georg Diez in der Tempo-Jubiläums-Ausgabe "Gegen die Eigentlichkeit" an. Das Phänomen dieser "Neuen Eigentlichkeit" konnte er an all jenen beobachten, die sich zwischen mehreren, meist schlecht bezahlten Jobs bewegten, und das, vor ihrem Notebook sitzend, Naan-Pizza essend und Espresso Latte trinkend, schöngeredet haben – wabernde Musik hörend. Möglich, weil ihnen ein kleines Wort beiseite stand: "eigentlich". Es verhinderte die Bekenntnis zur Unentschlossenheit, wodurch die persönliche und gesellschaftliche Misere geschickt vernebelt wurde. (Statt: "Ich kellnere zwei bis drei Mal die Woche und arbeite als [...], weil ich von der Tätigkeit als [...] nicht leben kann" hieß es: "Ich kellnere, aber eigentlich bin ich [...]").
Die Neue Eigentlichkeit attestierte er für Deutschland, wurde in dem Beitrag aber insbesondere an Menschen zwischen 20 und 30 Jahren in Berlin-Mitte exemplifiziert: "Sie sitzen in Prenzlauer Berg in Ladenbüros, die aussehen wie ein Modesalon, der eigentlich eine Galerie ist, die eigentlich ein Architekturbüro ist, das eigentlich ein Restaurant sein soll. [...] Sie sind Popstars, die Kellner sind, oder Praktikanten, die noch eine zweite Karriere suchen".
Sie waren gerne eigentlich und betrachteten sich als gleichberechtigter Spieler in der Flexibilitätsarena.
Ebenso wie Adorno in "Jargon der Eigentlichkeit" die offizielle Sprache der Nachkriegszeit kritisierte, weil er in dieser eine Verlogenheit erkannte, die es auch vermochte, "Nichts als Etwas" zu bezeichnen, stand der Eigentlichkeitsgebrauch anno 2006 bei Diez für eine Romantisierung der Ausbeutung. Von oben wurden Ideen vom Projekt des Lebens, der Flexibilität und des Optionismus als Wahl offeriert, obwohl es für viele bereits ein Diktat war.
Die Eigentlichkeitskultur besteht weiterhin. Obwohl jenes Eigentlich durch ein Und ersetzt werden kann. Denn es bleibt beruflich das, was es schon immer war: eine Aneinanderreihung von Jobs. Jeder muss alles sein. Ein Ich sucht Verwertungskette. Matthias Schweighöfer singt. Andere sind dauergestresste Allrounder geworden, die keine Chance mehr haben, ihre Fähigkeit oder ein Talent besonders stark auszuprägen, aber dafür über drei weitere Skills so gut verfügen, dass sie weder positiv noch negativ auffallen und dadurch die Miete zahlen können. Man nennt es Standbeine, zu denen eine als Album getarnte Playlist die richtigen Songs bereithält.
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