
© Tobias Bärmann
Zum Buch von Ingo Niermann: "Man wollte, dass überall in Berlin Ökosandwiches und nicht mehr nur Döner und Buletten zu kaufen waren, oder alte Filme, die man liebte, mit neuen unzerkratzten Kopien in die Kinos bringen. Man stellte Kunst aus, auch wenn die Sammler fehlten. Sammelte weiterhin Kunst, auch wenn längst das Geld fehlte. Diese Unternehmer schienen trotz Misserfolg keine Verlierer zu sein. Sie hatten immer gewusst, dass ihre Chancen gering waren. Wer etwas um jeden Preis verkaufen will, muss eben selber zahlen."
Das letzte Fließband in der Geschichte meiner Familie taucht in der Biografie einer Großmutter auf. Es befand sich im Rostocker Fischkombinat. Bis auf diese Tatsache und den dazu gehörigen Erinnerungen an jene Person bleibt dieser Produktionsprozess in den Gütern seit jeher verborgen. Es sei denn, dass dem Konsumenten in regelmäßigen Abständen investigativ offenbart wird, dass die Zukunft im Verzicht liegt. Bis dahin regieren illustrierte Entstehungsgeschichten vom falschen Erzähler und der Glaube daran.
Am 31. Januar 2012 um 14.01 Uhr hat mich eine E-Mail mit dem Betreff "Hello from Bahrain" erreicht. Beim Öffnen zeigten sich drei Bilder von der Absenderin Danja Mathari, die beruflich dort weilte, und einem befreundeten Architekten, der nur auf die Insel geflogen ist, um Unterlagen für einen Wettbwerb abzugeben. So bestand die Ortserfahrung für ihn allein aus dem Grund der Reise. Für die Berliner Musikerin boten die Hotels in Abu Dhabi, Dubai, Kuwait-Stadt, Manama oder Maskat und Doha immerhin für einige Wochen Unterschlupf. Doch viel Zeit blieb nicht, sich auf Orte einzulassen, die hierzulande für ihre rasante Entwicklung, Traditionslosigkeit nach westlichem Verständnis, und aus diesem Grund vermeintliche Künstlichkeit bekannt sind. Was bleibt also in dem flüchtigen, durch Sonnebrillengläser gebrochenen, Bild hängen, das einen Platz in der Erinnerung bekommt?
Ich bin mit 18 nach Hamburg gezogen. Dort habe ich in einem möblierten Dachgeschosszimmer in einem schmalen Einfamilienhaus gewohnt. Kleines Waschbecken in einem Teil des Wandschranks, Toilette eine Etage tiefer, Dusche im Keller. Position: geduldete Fremde, Gast, rechtlicher Status: Untermieter. Dementsprechend war mein Hausstand sehr klein: Bettwäsche, Kleidung, Handtücher, Drogerieartikel, ein paar Bücher, Stifte und meine Kamera.
Zwei Jahre später passte das alles, und von allem ein bisschen mehr, in zwei Kartons, einen Rucksack und eine Reisetasche. Die Kartons habe ich mit der Post an meine neue Adresse geschickt. Der Rest kam mit der Bahn – inklusive mir. Zielort eine 40 Quadratmeter große Einzimmerwohnung in Bochum, in der die Akustik fast zwei Jahre lang sehr gut sein sollte. Danach folgte ein allgemeiner Akt des Vollstopfens.