31 January 2017

Der Trick

Rihanna oder Beyoncé oder Lady Gaga: Auf der Bühne tragen sie ein Kopf-Mikro, die In-Ears funkeln. Sie haben einen konzentrierten Blick und einen festen Stand. Am Körper: Ein enger Body, die Gliedmaßen umhüllt nichts störendes, Muskeln, Sehnen, gut gesetzte Make-up-Akzente, vielleicht ist Schweiß auszumachen.

Ihre Bilder stehen im Gegensatz zu jenen (Männern), die es mit locker sitzender Kleidung, einem ruhigen Blick, Lässigkeit und herablassenden Cool gerade noch schaffen, das Klinkenkabel in den Verstärker zu stecken, während Bier statt Wasser auf der Bühne verteilt wird.

Die 'Pop-Arbeiterinnen' trinken kein Bier. Sie narkotisieren nicht. Sie investieren. Muss wohl, wie Jens Balzer in Pop. Ein Panorama der Gegenwart schreibt: "Dass sie nicht singen und nicht komponieren können und keine Bühnenpräsenz haben, schadet ihrem Erfolg mitnichten. Wichtiger ist die Effizienz, mit der sie den universellen Mangel* verwalten: Bei ihren Konzerten kann man lernen, wie weit man heute kommen kann, ohne ein 'Ich' zu besitzen."

Doch warum "Ich", wenn sowieso kein Subjekt* im Pop erwartet wird und eine Marke genügt, geschaffen und erhalten durch ein Ensemble, dessen Arbeit auf den 'Star' metaphorisch übergeht und ihn gleichzeitig von dieser erhöht, gar dazu nütze ist, von der Arbeit zu befreien? "Arbeitsverweigende[r] Minimalismus", wie es zu Rihanna heißt. Der unterstellte 'Mangel' führt zu Gewinn.

Der hautenge Body des weiblichen Pop-Kapitals ist keiner. Es ist ein lustig bedruckter, langärmliger Einteiler, der zum hemmungslosen Gammeln einlädt, auch hier ist Bewegungsfreiheit oberstes Gebot, versteckt hinter einer – bildlich gesprochen – zur reinen Form werdenden Busby-Berkeley-Choreografie oder einer, aus ewig leichten Beinen bestehenden, choros line. (Hach, in einem Technicolor-Musical müsste man sich verstecken können.)

Der Body ist also ein Trick, Work Bitch ein geheimer Code der Verweigerung, der erkannt werden muss, indem er sich weiter aufbläht, sich selbst überhöht oder – vereinfacht – am Männerkörper parodiert wird.**

Nachtrag: * bzw. Authentizität; ** funktioniert besonders gut nach Nervenzusammenbrüchen, Gewichtszunahmen, Drogenmissbrauch, missglückten Schönheits-OPs, beruflichem Scheitern.

No comments:

Post a Comment

Note: only a member of this blog may post a comment.