Ich bin mit 18 nach Hamburg gezogen. Dort habe ich in einem möblierten Dachgeschosszimmer in einem schmalen Einfamilienhaus gewohnt. Kleines Waschbecken in einem Teil des Wandschranks, Toilette eine Etage tiefer, Dusche im Keller. Position: geduldete Fremde, Gast, rechtlicher Status: Untermieter. Dementsprechend war mein Hausstand sehr klein: Bettwäsche, Kleidung, Handtücher, Drogerieartikel, ein paar Bücher, Stifte und meine Kamera.
Zwei Jahre später passte das alles, und von allem ein bisschen mehr, in zwei Kartons, einen Rucksack und eine Reisetasche. Die Kartons habe ich mit der Post an meine neue Adresse geschickt. Der Rest kam mit der Bahn – inklusive mir. Zielort eine 40 Quadratmeter große Einzimmerwohnung in Bochum, in der die Akustik fast zwei Jahre lang sehr gut sein sollte. Danach folgte ein allgemeiner Akt des Vollstopfens.
Sieben Jahre – zwei Studienabschlüsse, sowie zwei Post-Studiums-Jahre mit und ohne Arbeit - später, es ist 2009, erfolgt ein gemäßigter Akt der Reduktion. Der Grund hierfür: ein Umzug und die bevorstehende Teilung des Lebensraumes mit zwei weiteren Personen.
Das Scheitern dieses Experiments – das so genannte WG-Leben – führte schließlich zu einer erneuten räumlichen Bewegung. Dabei eröffnete sich die Frage, wie viel Raum man zum Leben braucht? Ursache ist nicht nur der Wohnungskrieg, die Rolle der Wohnung als Statussymbol, der lang anhaltende Muskelkater nach dem Umzug, die beanspruchte Zeit oder das verbrauchte Geld, sondern die Frage, ob es wirklich notwendig ist, sich mit Anstieg des Alters und der Lebensaufgaben proportional auszudehnen und man schließlich immer mehr Raum einnimmt – bis hin zum Einfamilienhaus mit Garten und Garage.
In diesem Zuge erinnert man sich an das Bild von Christian Wulff, wie er vor seinem Haus im Garten steht und den Wasserschlauch hält, und dass der Wunsch nach diesem Haus der Anfang vom Ende war. Oder wie Niklas Maak in der FAZ geschrieben hat: "Das Foto vom Präsidenten vor dem überteuerten Eigenheim ist das Bild einer Katastrophe, die sich millionenmal wiederholt". Das Eigenheim mit Hypothek als große Metapher der Krise
Dabei scheint sich Raum seit 2008 nicht nur als Statussymbol abzulösen, sondern die Möglichkeit der Inanspruchnahme wird im urbanen Gebieten immer schwieriger – unmöglicher. Unabhängig vom derzeitigen Debakel in deutschen Großstädten wie Hamburg, Berlin, Köln oder München ist davon die Rede, dass bis 2030 weltweit eine Milliarde Wohnungen geschaffen werden müssen. In Industriegebieten wird der Schwierigkeitsgrad erhöht, da immer mehr Menschen alleinstehend sind, aber die Einzimmerwohnung kein Zukunftsmodell ist. Lösungsvorschläge werden hierzulande am Beispiel zeitgenössischer japanischer Architektur diskutiert. An dieser wird eine Reduktion des Raumes ohne einen Verlust an Wohnqualität veranschaulicht, eine neue Rolle der Gemeinschaft und die Vielfalt eines Raumes betont. Es sind Ideen, in die man nicht sofort einziehen möchte, die als Denkmodell aber notwendig zu sein scheinen. Wie kann ich in Zukunft leben?Aber ob man sich nun mit Computer und iReader in dem "Final Wooden House" vorstellen kann, oder sich gemeinsam mit Familie und Freunden in Modellen wie dem "Moriyama House" sieht, oder ein Beispiel aus der Reihe "Kleiner wohnen" von einer Freundin wählt, steht die Frage, ob das Neudenken des Lebensraumes auch in Bezug zu der neuen Kunst der Mäßigung steht? Bereits jetzt dominiert das Lob des Verzichts auf die Laster des 20. Jahrhunderts - sei es auf Alkohol, Nikotin, Zucker, Salz, tierische Produkte, Essen schlechthin, Papier, hoher Energie- und Wasserverbrauch, Konsum.
Es geht um die Etablierung des gesunden, ewig arbeitenden, reduziert lebenden, CO2-neutralen, sich selbst versorgenden Menschen, der das nötige Geld und Wissen besitzt.
Zurück zu den zwei Kartons Hausstand.
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