Das letzte Fließband in der Geschichte meiner Familie taucht in der Biografie einer Großmutter auf. Es befand sich im Rostocker Fischkombinat. Bis auf diese Tatsache und den dazu gehörigen Erinnerungen an jene Person bleibt dieser Produktionsprozess in den Gütern seit jeher verborgen. Es sei denn, dass dem Konsumenten in regelmäßigen Abständen investigativ offenbart wird, dass die Zukunft im Verzicht liegt. Bis dahin regieren illustrierte Entstehungsgeschichten vom falschen Erzähler und der Glaube daran.
Dieser offenbarte sich erneut bei der Einführung des iPhone 5. "60 Stunden Anstehen vor dem Apple-Store", lautete einer von vielen Titeln zu Berichten, in denen Reporter versucht haben, diesem plötzlichen Aktionismus auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis: Es gibt keinen Grund, die Möglichkeit des Habenkönnens nutzen, das Anstehen als Erlebnis, oder der Glaube an ein Produkt.
Als es auf dem Foxconn-Gelände noch keine Massenschlägerei gab, jedoch Selbstmorde, ließ Firmenchef Terry Gou drei buddhistische Mönche auf das Werksgelände kommen, um die Toten zu segnen. Angeblich soll sogar ein Exorzismus durchgeführt worden sein, um die Selbstmordwelle - zusätzlich zu den Maschennetzen - zu beenden.
Andrew Ross scheibt in seinem kurzen Essay "Der Exorzist und die Maschinen", dass es sich dabei um eine gängige Praxis handelt. Zum einen bräuchten die vielen Arbeiter ihre religiösen Überzeugungen, um mit den unbekannten industriellen Arbeitsbedingungen klarzukommen. Zum anderen sei Besessenheit Teil einer üblichen Erklärungspraxis der Unternehmensleitung, um somit Erkrankungen oder Selbstmorde zu rechtfertigen.
Neben dem Glauben in seiner unterschiedlichen und bekannten Funktion als Heilsbringer ist der auf das Telefon Wartende noch anderweitig mit dem Arbeiter in Shenzhen verbunden. Was für den einen zunächst Freiheit und Flexibilität bedeutet, hängt von "den Reglementierungen riesiger Arbeitermassen ab, von denen einige, wie im Falle Foxconns, noch größer sind und noch strenger kontrolliert werden als alles von Henry Ford erträumte."
Immerhin wird der Glaube des Nutzers neuester Mobil- und Computertechnologie an flexible Arbeitszeiten und Freiberuflertum fernab einer riesigen Fertigungshalle - denn man sitzt im Büro, im Arbeitszimmer, im Café, macht irgendwo auf CO-Working - stets durch die implizierte Kommandofunktion der Technik herausgefordert.
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