Was ein Künstler zu sein hat, ist gesetzlich geregelt. In Deutschland heißt es: "Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt." In Österreich ist Künstler, wer kunstschaffend ist. Alles scheint ganz klar. Für einen kurzen Moment. All die Fragezeichen sind verschwunden. Doch im Alltag – außerhalb von Gesetzestext, Künstlersozialkasse, Museum, Galerie und Auktion – schimmern die Wörter Kunst und Künstler klebrig im Sonnenlicht. Zu viele alte und neue Klischees haften daran. Ein Gespräch mit der jungen 'Künstlerin' Paran Pour. Sie lebt und arbeitet in Wien.
Paran, welchen Bezug hast du zu dem Begriff "Künstler"?
Eigentlich habe ich eine ambivalente Beziehung dazu. Kunst und Künstler kann ja irgendwie alles und jeder sein, und vor allem ist es zurzeit voll hip. Wenn ich manchmal nicht mit zu vielen Fragen und Klischees konfrontiert werden möchte, dann sag ich einfach, ich sei Grafikdesignerin, was ja auch stimmt.
Glaubst du aus deiner Erfahrung heraus, dass die heutige Gesellschaft einen guten Bezug zu 'ihren' 'Künstlern' (bzw. Kreativen) hat – unabhängig betrachtet von bekannten Auktions- und Verkaufszahlen.
Es kommt auf den Kontext an. Es gibt Städte wie Wien, wo Kunst einen fundamentalen Teil der Kultur darstellt. Kunst und KünstlerInnen haben historisch immer eine wichtige Rolle gespielt und deshalb wird auch viel stärker der Versuch von der Stadtpolitik unternommen, Kunst gesellschaftlich zu etablieren. Dadurch entwickeln die Menschen natürlich einen anderen Bezug dazu, sie leben mit der Kunst. Wobei auch nicht zu unterschätzen ist, dass Wien zu den reichsten Regionen Europas gehört und sich deshalb auch die Kunst leisten kann.
Wir haben uns kennengelernt als du dein Studium an der Folkwang Universität der Künste abgeschlossen hast und innerhalb des Kunstprojektes "hartmut" aktiv warst. Danach folgen Stationen in Berlin und Wien. Wenn du Wien durchaus positiv im Umgang mit 'seinen' Künstlern bewertest, wie schätzt du rückblickend deine Erfahrungen im Ruhrgebiet oder Berlin ein?
"hartmut" war ein Kunstprojekt, das ich mit zwei Freunden aufgezogen habe. Wir haben in verschiedenen Leerständen der Stadt Ausstellungen realisiert, mit der Idee, Kunst in Räume zu bringen, die nicht nur von einem bestimmten Kunstpublikum konsumiert werden. Doch in Essen hat das Konzept nicht funktioniert: Die junge Kunstszene ist klein, die meisten Essener bringen entweder keine Sensibilität für zeitgenössische Kunst auf, oder ihnen fehlt das Bewusstsein für die gesellschaftspolitische Bedeutung solcher Projekte.
Berlin ist da natürlich in einer ganz anderen Situation. Als kreatives Haifischbecken haben sie mit anderen Problemen zu kämpfen. Ich fand es schwierig dort zu leben, umgeben zu sein von jungen Menschen, die alle aus dem selben Grund in der Stadt sind, die sich alle ähnlich definieren, ähnliche Sachen machen. Wobei es oft auch total spannend war, doch aufzufallen. Nicht nur eine von vielen zu sein, ist dort ein Kampf.
Wie wichtig ist Geld für dein Schaffen?
Dadurch, dass ich finanziell nicht von meiner künstlerischen Arbeit abhängig bin, lasse ich mich von dem Kunstmarkt wenig stressen. Wobei ich es natürlich großartig fände, mein Geld durch meine künstlerische Arbeit zu verdienen, ohne mich dabei verstellen zu müssen.
Meinst du mit "verstellen" auf der einen Seite ein Dienstleister in einem Job sein zu müssen, um Geld zu verdienen und auf der anderen Seite frei zu arbeiten?
Nein, das sind zwei Rollen, die ich klar trenne. Auf der einen Seite bin ich Dienstleisterin und mache Jobs für Geld, auf der anderen Seite bin ich Künstlerin. "Verstellen" würde ich mich, wenn ich als Künstlerin, meine freien Gedanken aufgeben würde, ständig auf den Kunstmarkt schauen müsste und meine Produktion darauf ausrichten würde. Wobei Freiheit und Unabhängigkeit in diesem Kontext auch Begriffe sind, die zu relativieren wären und vielleicht sogar überbewertet sind.
Was hälst du eigentlich von dem Boom, dass viele Künstler mit Designern zusammenarbeiten. Zum Beispiel: Anselm Reyle für Taschen von Dior oder Olafur Eliasson für Louis Vuitton. Sogar Villeroy & Boch haben jetzt Waschbecken in Zusammenarbeit mit einem Graphik-Künstler hergestellt.
Irgendwie ist dieser Verlauf für mich sehr nachvollziehbar. Während sich zunehmend die unterschiedlichen Lebenswelten verschränken, voneinander profitieren und sich bereichern, ist es normal, dass es nicht mehr die klassischen Rollen- und Aufgabenverteilungen gibt. Designer lassen sich von der Kunst inspirieren, Künstler von der Architektur, Architekten von der Natur usw. es ist ein Kreislauf des Wissens, der Materialien und der Formen.
Und Distributionswege... Obwohl die genannten Künstler schon zu einer Art Dienstleister werden, frage ich mich, ob dennoch Extreme bzw. Klischees wie Askese, Rausch und Autarkie von außen immer noch mit Künstlerbiografien verschränkt werden. Was meinst du?
Diese romantische Idee des Künstlers existiert zwar immer noch, doch der wahre durchschnittliche zeitgenössische Künstler ist eher konventionell, würd' ich sagen. Wir leben alle ganz normal, viele Künstlerfreunde bekommen mit Anfang 30 Kinder, oder würden gerne welche haben, sind in festen Beziehungen, arbeiten, machen zwischendurch Jobs um Geld zu verdienen und verreisen zwei Mal im Jahr. Ich will das alles nicht, aber extrem find ich mich dabei nicht.
Sehr interessanter Beitrag. Sehe es ähnlich wie Paran. Im Grunde ist ein Künstler heute auch nicht mehr das, was er früher einmal war. Damals noch eher als Rebell geltend, ist es heute normal und wie von ihr schon erwähnt "eher ein Trend" etwas im bereich der Kunst oder des Designs zu machen. Die Kunst hingegen ist es an scih, dabei aufzufallen - das muss man erst einmal schaffen! Wenn man dann noch von dem Geld von Verkäufen leben kann, dann scheint man es schon irgendwie geschafft zu haben. ;)
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