Vor ein paar Jahren war es Sasha Grey, im Moment ist es James Deen. Zwei Pornodarsteller, deren Namen plötzlich dazu dienen, um im Feuilleton mindestens zwei Spalten zu füllen oder Interview- und Bildstrecken für das Lifestyle-Segment zu liefern. Für Mainstream-Medien ist es wohl ein ökonomisch dankbares Miteinander zweier massenkultureller Systeme, auch wenn die Differenz zum Eigentlichen – der Pornografie im Vordergrund steht.
Bei Sasha Grey betont man deutlich ihre sensibility, Intellekt und den künstlerischen Anspruch. Sie selbst wurde nicht müde, dass mit ihrem Buch "Neü Sex" zu unterstreichen. Die Bilder sind so fromm wie eine Modestrecke von Terry Richardson und die eingestreuten Begriffe wie Perfomancekunst und Verweise auf Cindy Sherman, Carl Gustav Jung oder Sartre sollen dem ganzen Gewicht verleihen. Die Distanzierung zur Pornoindustrie erfolgt durch Reflexion und kulturtheoretische Unterfütterung. Das macht sie bereits mit ihrem Namen deutlich: ein Mix aus einer Oscar-Wilde-Figur und ein Farbschattierung der Kinsey-Skala. Das ist fast schon zu grell, um wahr zu sein.
In Bezug auf James Deen, der in Paul Schraders "The Canyons" mitspielt, beschränkt sich die Beschreibung drauf, dass sein Körperbau und sein Gesicht – aber auch die Herkunft, das schrecklich Normale – den Distinktionsmoment markieren. Dieses Urteil endet zwar auf Hüfthöhe, aber es bleibt dabei: Er sehe gar nicht aus wie ein Pornodarsteller. Das genügt. Dennoch schwingt in der Rede über James Deen immer etwas Wehmut mit, da man nur darauf hinweisen kann, dass sein Gesicht ein mittleres Geschmacksniveau anspricht.
Wenn sich Vertreter des Genres gemäßigt in der Popkultur bewegen, überwiegt die Akzeptanz zugunsten eines Synergieeffekts, oder man versucht dem ganzen ein intellektuelles Raffinement abzugewinnen. Obwohl diesbezüglich betont wird, dass "[d]ie Grenzen zwischen Sexindustrie und Kulturlandschaft, zwischen Hardcore-Darsteller und Schauspieler [fließend sind]", wird die Grenze wiederum dann schnell gezogen, wenn die Rahmung der Kunst, der filmischen und literarischen Fiktion, oder einfach die Distanz zum Alltag fehlt. Zuletzt wurde das an dem Aufklärungsbuch "Make Love" deutlich. Der Weltbild-Verlag hält diese gelobte Publikation nämlich für einen verkappten Porno.
Am interessantesten scheint diese Problematik im Zeitschriftensegment zu sein. Dort wird die extravagante Darstellung von Körpern zum Problem. Gelegentlich genügen bereits historische Comics. Was von Produzent und Kritiker immerhin noch unter dem breiten Mantel aktueller ästhetischer Theorien verhandelt, akzeptiert, geduldet oder gelobt wird, schützt dennoch vor Ausschluss nicht. Auch wenn dieser aufmerksamkeitsstark ausfallen kann.
Im Sommer 2011 wurden die Gemüter des Zeitschriftenvertriebs durch die Bilder von Jürgen Teller in dem Magazin "032c" erregt. Die Bilder mit dem Model Kristen McMenamy sind zwar explizit, doch schwer mit einer Definition von Pornografie in Einklang zu bringen. 2004 wurde mit dem Vorwurf der Pornografie sogar das Magazin "Steinstraße 11" sogleich mit der Erstausgabe in den Ruin gestürzt. "Der Grund ist ein Artikel von Art Spiegelman über die so genannten Tijuana-Bibles - pornografische Parodien berühmter Comics, wie Donald Duck und Mickey Mouse. Dieser Artikel hat den Anwalt der Grossisten auf den Plan gerufen, die daraufhin nur eine beschränkte Auslieferung empfohlen haben. Die kopulierenden Mickey Mäuse beschäftigen inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft." In seinem Text "Amerikas Ficky-Maus-Heftchen" lobt Art Spiegelman den "subversiven Trick" dieser Comics, den über 70 Jahre später keiner mehr erkannt hat und einer Zeitschrift zum Verhängnis wurde. Warum? Weil durch sie Mickey Mouse, Cary Grant und Mussolini entweiht wurden? Peter Richter fragt in seinem kurzen Text "Pornografie ist, wenn es weh tut" zu den Bildern von Teller, ob es bei der Selbstzensur tatsächlich um Pornografie gehe, oder doch um Ästhetik, die missfalle. Das Vergehen liege dann nicht in der pornografischen Darstellung, sondern in der Andersartigkeit der Bilder.
(Vielleicht ist es kein Zufall, dass in der Bochumer Bahnhofsbuchhandlung zahlreiche Lifestylemagazine in die hinterste Ecke verbannt wurden. Man findet sie dort jetzt unter dem Schlagwort "Hobby", vereint mit den Erotik-Heftchen Ihres Vertrauens.)
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