"All it comes down to is this: I feel like shit but look great.", stellt Patrick Batemen fest, als er nach einer durchzechten Nacht in einer Konferenz sitzt. Wenn man einem Nivea-Werbespot Glauben schenken darf, scheint es heutzutage vielen Angestellten so zu gehen. "Frisch aussehen, egal wie lang der Abend war", heißt es vielversprechend. Der Kater wird weggecremt und somit auch eine wichtige Erfahrung. Denn ein Kater entschleunigt. Ein Kater entkoppelt Geist und Körper vom Alltag. Ein Kater schärft alle Sinne auf unbekannte Weise. Alles wird neu erfahren: der Kaffee, das Brötchen, die Fasern der Decke, der Sound zu Radios, der Geruch des Anderen. Vorrausetzung ist, dass man sich ohne Scham und ohne schlechtes Gewissen dem Sein hingibt und den Kater zelebriert: mit Tee, schlechten oder guten Filmen, Erinnerungen, Gesprächen, einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Eine positive Einstellung zum Kater predigt auch Tom Hodgkinson in "Anleitung zum Müßiggang". So kommt er zu dem Schluss: "Wie bei allen Aspekten des Müßiggangs sollten wir uns dem Druck setzen, alles in unserem Leben abzulehnen, was nicht in das Paradigma des Produktiven, Vernünftigen und Arbeitssamen passt, das die Gesellschaft und wir selbst uns aufdrängen. Richtig leben zu lernen kann einschließen, dass wir lernen, den Kater zu lieben."
Der Kater wird endlich angemessen behandelt. Er wird einer medizinischen Behandlung unterworfen. Den Beweis für diesen Trend erhielt ich zwischen den Feiertagen in Form einer Fotografie. Eine Freundin hatte die Möglichkeit, ihren Kater mit Sauerstoff und etwas "Flüssigkeit intravenös" behandeln zu lassen. Es mag daher mehr als nur ein Zufall sein, dass ich vor kurzem dem Phänomen "Hangover Heaven" begegnet bin. Ein Bus, der durch Las Vegas fährt und es Touristen ermöglicht, für unter 100 Dollar den 10.000-Dollar-Abend vergessen zu machen - mittels ein paar Tropfbeutel und innerhalb einer Stunde. Die Zeiten der menschlichen Grenzerfahrung, der geistigen und körperlichen Herausforderung, die ein bis drei Tage andauern kann, sind endlich vorbei. Ein Trend, der gut zu dem Energy-Duschgel, der Energy-Gesichtspflege und natürlich zu dem beliebten Energy-Drink passt, den wir bei dem täglich wiederkehrenden Gefühl von Energieknappheit heranziehen, weil wir müssen. Denn, neben dem übermäßigen Trinken und seinen zu verdeckenden Folgen, steht auch der Alkoholgenuss an sich - oder das Rauchen, der Konsum von Süßigkeiten und fettigen Speisen - vermehrt in Verruf. Das Recht auf Sünde schwindet, weil jeder der mal säuft, der Solidargemeinschaft schadet, wie Ulrich Greiner in der "Zeit" anmerkt. Der Kater wird zur Geheimsache.
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