1 December 2012

Neue Bilderwelten

Analoge Fotografie ist manchmal besser. Sogar in der Hitze Afrikas. Denn "36 Möglichkeiten" lösen unendliches Knipsen zugunsten eines konzentrierten und aufmerksamen Aktes ab, meint Fotografin Marie Köhler. Doch sie stellt sich der Herausforderung nicht, um eine weitere Afrika-Reportage umzusetzen. Sie startet im kommenden Jahr einen Fotoworkshop mit 100 Kindern im Operndorf Afrika, Burkina Faso. Vier Monate lang soll eine analoge Kamera der stete Wegbegleiter der Kinder sein, die das Medium selbstständig kennenlernen und eigene künstlerische Strategien entwickeln sollen. Durch darauf folgende Ausstellungen soll somit eine "unverbrauchte, unvoreingenommene Perspektive auf die Lebenswirklichkeit der Burkinabé Einzug in die Prägung der europäischen Ikonographie des schwarzen Kontinentes halten". Eine Zielsetzung, die sich für Marie Köhler nach einem ersten Besuch bereits im Kleinen erfüllt hat.

Wie ist die Idee zu einem Foto-Workshop mit Kindern entstanden?

Vor zehn Jahren habe ich eine Reportage der Fotografin Zana Briski und des Dokumentarfilmers Ross Kauffman gesehen. Sie sind nach Indien gereist, um in dem Prostituiertenviertel in Kalkutta einen Bericht über die Prostituierten zu machen. Doch die Fotografin hat dann den Kindern der Prostituierten Kameras in die Hände gedrückt und ein Fotografie-Projekt mit ihnen gemacht. Daraus ist die Idee entstanden. Afrika war immer mein Traumziel, weil ich mit 15 Jahren durch einen Schüleraustausch in Afrika war und mich dieser Aufenthalt sehr geprägt hat. Daher beruht meine Motivation für das Projekt auf keinem Hilfsbedürfnis, sondern auf den Menschen und ihrer Kultur. Zur gleichen Zeit habe ich angefangen, Kameras zu sammeln. Anfang 2012 hatte ich knapp über 50 Stück zusammen. Als ich dann ein Stipendium erhalten habe, war für mich klar, dass ich das jetzt machen möchte.

Warum letztendlich das Operndorf?

Ich habe während meiner Studienzeit viel zum Thema Identität gearbeitet und bin in diesem Zuge immer wieder auf Schlingensief und Beuys gestoßen. Aufgrund dessen habe ich mir dann die Frage gestellt: 'Warum nicht das Operndorf?'

Wie sieht das Projekt aus?

Ich möchte über die Sprache der Fotografie die dortige Bilderwelt kennenlernen. Ich arbeite mit Kindern, die weder Fotografie noch unsere westlichen Gestaltungsparameter kennen. Ich sehe darin ein unglaublich großes Potenzial. Selbst wenn man hier Kindern Kameras in die Hand gibt, erhält man bereits eine Perspektive, die Erwachsene gar nicht mehr kennen.

Unser Ziel ist es, neben Ausstellungen in Burkina Faso und Deutschland, auch hier wieder Workshops für deutsche Kinder anzubieten, die aus den Ergebnissen der afrikanischen Kinder lernen sollen.

Wie siehst du deine Rolle?

Ich bin Vermittlerin. Diese Funktion habe ich dann auch bei den Workshops in Deutschland. Ich gehe nicht nach Burkina Faso und sage: 'Fotografiert auf diese Art und Weise'. Die einzige Hilfestellung sind Themen wie Familie, Tiere oder Freundschaft, da Kinder am Anfang einen Rahmen brauchen. Ich möchte eigentlich nur die Motivation bieten, dem Medium zu vertrauen und dann loszuziehen. Und wenn schlussendlich alle Fotos dunkel sind, weil die Kinder nur Bock haben abends zu fotografieren, dann ist es so. Sie entscheiden, was sie zeigen möchten.

Gab es Zweifel im Laufe der Vorbereitung?

Ja, bei meinem ersten Besuch in Burkina Faso gab es Momente, die mich herausfordert haben. Es beginnt mit der Hitze, die wir hier gar nicht nachfühlen können, der nächtlichen Dunkelheit, oder dass Ouagadougou kein uns bekanntes Stadtbild vermittelt. Man sitzt in einem nichtklimatisierten Auto, schaut aus dem Fenster und denkt: 'Das kann doch nicht wahr sein. So einen Teil der Welt kann es doch gar nicht geben.' Mein westlich geprägtes Auge erkennt anfangs nur die Armut. Es sieht die Menschen, die an der Straße sitzen und versuchen irgendetwas zu verkaufen, sei es Bananen, Handykarten oder irgendetwas. Es sieht Familien und Kinder an der Straße sitzen und betteln, auch weil die letzte Ernte sehr schlecht war und die Menschen wirklich Hunger haben. Am Anfang ist das nicht aushaltbar: 'Was soll ich hier? Das funktioniert nicht.'

Was war der ausschlaggebende Punkt, das Projekt dennoch durchzuführen?

Die Fahrt ins Operndorf. Ein Ort mit großartigen Menschen. Ein Ort, der eine unglaubliche Ruhe ins sich trägt. Auf der Rückfahrt habe ich dann gemerkt, wie sich mein Blick verändert. Ich habe wieder aus dem Fenster geschaut und das Land ganz anders gesehen und verstanden. Es war später Nachmittag. Die Familien sind um die Kochstellen zusammengekommen. Ein reges Treiben, das überhaupt kein negatives Gefühl nach außen trägt. Plötzlich habe mich wirklich gefreut, dass ich mein Projekt dort machen kann. Es überwiegt die Sehnsucht an diesen Ort zurückzukehren.

1 comment:

  1. Am kommenden Donnerstag, 06.12.2012 findet in den Herner Flottmann-Hallen eine schöne Benefizveranstalten für das Projekt statt.
    Seid alle herzlich eingeladen, es geht nicht nur um die vielbeschworene gute Sache, es gibt auch noch sehr viel gutes Programm.

    Infos finden sich hier: www.fotoworkshop-operndorf.de

    Oder bei Facebook: https://www.facebook.com/events/548815435134444/

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