von Vincent Schmidt, Hong Kong 2005
Das ist der letzte Text einer dreiteiligen Asien-Serie.
Hong Kong betrete ich durch die Hintertür. Nicht über den Flughafen, nicht auf dem Landweg aus China, sondern zu Wasser.
Der Fährterminal der Schnellboote aus Macau befindet sich an der Rückseite eines unauffälligen Büroturmes auf Hong Kong Island. An der Passkontrolle sitzen Polizisten, deren dunkelblaue Uniformen auch acht Jahre nach der sogenannten Übergabe noch sehr britisch aussehen. Hinter der Kontrolle laufe ich auf eine automatische Schiebetür aus Milchglas zu, wie ich sie aus Flughäfen kenne. Die Milchglastür trennt den geschlossenen vom öffentlichen Bereich. Dahinter stehen immer winkende Verwandte, manchmal mit Plakaten auf denen »Willkommen daheim« oder dergleichen steht, dazu gemalte Herzen, Blumen oder bunte Striche, die ein Feuerwerk andeuten sollen. Jedenfalls denke ich, dass es Verwandte sind. Sie meinen nie mich, stets jemand anderen. Dazwischen warten schweigend die Chauffeure der Fahrdienste. Auf weißen Plastikclipboards – die sie dezent vor ihren Bauch halten, plötzlich aber, wenn ein Ankömmling suchend umherschaut, hochheben und den Gemeinten dabei mit ihrem Blick fixieren – stehen mit Filzstift, non-permanent, sachlich und kommentarlos Namen geschrieben, Bachmann, Mr. + Mrs. Mitchell.
In Hong Kong öffnet sich die Milchglasschiebetür und ich denke, da kommt jetzt eine Ankunftshalle – wartende Menschen, Wechselstuben, Hotelreservierungsbüros. Stattdessen stehe ich samt Gepäck inmitten einer Shopping-Mall. Verblüfft schaue ich zurück, die Milchglastür hat sich schon wieder still geschlossen und verwehrt die Möglichkeit der Umkehr. Einen Ausgang kann ich nirgendwo entdecken. Ich laufe einfach los, in eine beliebige Richtung. Vorbei an Boutiquen, die auf den ersten Blick nahezu identisch zu sein scheinen, komme ich von einem neonbeleuchteten Trakt in einen anderen, der aber auch der vorige sein könnte. Und wo immer ich einen Ausgang vermute, eröffnet sich nur ein weiterer Trakt.
Tatsächlich werde ich keinen Ausgang finden. Stattdessen entdecke ich nach zehn suchenden Minuten den Zugang zur Metro.
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