Die Bauchspeicheldrüse ist das Organ der Stunde. Es hatte kürzlich politische Relevanz und ihr Zustand bestimmte bereits den Aktienkurs einen US-amerikanischen Unternehmens. Doch vor allem und viel mehr hat es eine persönliche Dimension. Denn ihre Fehlhaftigkeit schafft es, entgegen einer militärisch korrekten, flächendeckenden Ausbreitung im Inneren, die Konturen des ihr zugeteilten – meist väterlichen - Äußeren zunächst zu radieren und dann ganz verschwinden zu lassen. So entstehen Lücken. Beispielsweise. Die Krankheit austauschbar.
Diese Lücken – manchmal sind es auch Schluchten – bedingen spätestens ab Anfang 20 einen immer größer werdenden geheimen Bund, deren Mitglieder sich in einem Moment still zunicken, sie es den Kindern auf dem Schulhof wieder gleichtun.
Doch so sehr der Verlust, jener zunächst durch einen biologischen Zufall zugeteilten Personen, schmerzt und der Abschied zugunsten einer neuen Gemeinschaft unweigerlich beschleunigt wird, so entschwindet zugleich die Vorstellung vom idealen Älterwerden wie sie nur Versicherungskonzerne und Werbespots für Bausparverträge oder Schokolade kommunizieren.
Denn ab Anfang 30, wenn die Halbwaisenrente seit Jahren eingestellt ist, wird plötzlich jede kleinste unbekannte Abweichung zum Indiz des Verfalls provoziert durch den eignen fehlerhafte Code: leichter Haarausfall, die erste Zahnfüllung, das Betrunkensein nach einem Bier, der lang anhaltende Kater bei einem Glas Wein zu viel, die schwindende Ausdauer, die zunehmenden Kurzsichtigkeit, die zu vermutende Kalkablagerungen in Venen und Arterien, vielleicht sogar ein Bruch, der Bilderrausch bei jeder sich jährlich wiederholenden Vorsorgeuntersuchung, die Langweile.
Um immerhin dem Glauben aufzusitzen, die Herrschaft über seinen Körper zu haben, jenen Code zu beeinflussen, probiert man es auch hier mit einer extra Portion Kultur und folgt dem Kredo des gesunden, ausgewogenen Lebens, weil nur das Maß Leben spenden soll, nicht der Exzess und man für die eigene Krankheit nicht Schuld tragen möchte: "Gute Ernährung schützt" und noch nie war Werbung für alkoholfreies Bier in Deutschland so dominant. Dennoch beginnen immer häufiger die Nachrufe mit dem Satz "Obwohl er ein gesundes Leben geführt hat!", da ein anderer Faktor das Gleichgewicht von Wachstum und Tod im Körper gestört hat.
Keiner kann dem Nichts entgehen, denkt einer, während auf der Leinwand zwei Himmelskörper aufeinanderprallen. Man gibt sich der Ästhetik des Moments hin, obwohl das Ende nicht nach Tristan und Isolde klingen wird.
No comments:
Post a Comment
Note: only a member of this blog may post a comment.